Grenzen der Forschung
© Dr. Dr. Herbert Mück, Köln |
Interview mit Prof. Dr. Siegfried Kanowski, Berlin Unter den am 27. November 1995 in Bonn um eine Stellungnahme gebetenen Experten war Prof. Dr. Siegfried Kanowski. Der Berliner Gerontopsychiater gehört seit Jahren zu den renommiertesten Demenz-Forschern Deutschlands. Demenz-Spektrum (DS) hatte die Gelegenheit, ihn nach seiner Position zu befragen. DS: Herr Prof. Kanowski, Sie gehören zu denjenigen Experten, die unter bestimmten, das heißt sehr engen Voraussetzungen Forschung mit einwilligungsunfähigen Demenz-Kranken als denk- und vertretbar ansehen. Wie begründen Sie diese Haltung? Prof. Kanowski: Demenz-Kranke haben denselben Anspruch und dasselbe Recht auf Hilfe, Besserung und Heilung wie andere Kranke, weil sie in dieser Hinsicht dieselben Wünsche äußern. Dazu gehört der Wunsch nach einer Verbesserung der diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten. Deshalb kann Demenz-Kranken im Prinzip die Teilnahme an Forschungsvorhaben nicht vorenthalten werden. Dies gilt auch dann, wenn ihnen die Ergebnisse zwar vielleicht nicht unmittelbar während des Forschungsprojektes zugute kommen, sie aber in der verbleibenden Lebenszeit noch von Vorteil sein können. Bei senilen Formen der Alzheimer-Demenz beträgt der entsprechende Zeitraum mitunter bis zu 20 Jahre. DS: Wie sollte man vorgehen, wenn man Demenz-Kranke in ein Forschungsprojekt einbeziehen will? Prof. Kanowski: Vorab ist immer die Möglichkeit auszuschöpfen, vom Patienten selbst eine rechtswirksame Einwilligung zu erhalten. Dies ist vielleicht häufiger möglich, als man annimmt. Allerdings ist es erforderlich, daß man dem Patienten die zur Einwilligung anstehenden Sachverhalte in einer Weise erläutert, die seinem verbliebenen kognitiven Leistungsvermögen angemessen ist. Möglicherweise wird manchen Demenz-Kranken die Einwilligungsfähigkeit früher abgesprochen, als es unbedingt notwendig ist. Der Grund liegt dann darin, daß die Verständigungsbarrieren unnötig hochgeschraubt und damit die Kriterien für eine Einwilligungsfähigkeit unziemlich angehoben werden. DS: Welche Schutzkriterien sind auf jeden Fall zu beachten, wenn dem Patienten eine Einwilligung nicht mehr möglich ist, man den Patienten aber dennoch in ein Forschungsprojekt aufnehmen will? Prof. Kanowski: Für mich gelten folgende Voraussetzungen als zwingend:
Letztendlich gilt jedoch, daß auch eine in diesem Sinne durchgeführte Forschung mit Einwilligungsunfähigen nur dann möglich ist, wenn über die einzuhaltenden Voraussetzungen und Bedingungen ein gesellschaftlicher Konsens erzielt werden kann. DS: Herr Prof. Kanowski, vielen Dank für dieses Gespräch. |
Wir danken
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