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Nachtcafé


Bereits seit sieben Jahren besteht in der ostholsteinischen Senioren-Residenz Godenblick eine Fachabteilung zur Pflege Demenzkranker. Von Anfang an dazu gehörte das sogenannte „NachtCafe“. Diese Abendbeschäftigung für Demenzkranke wird auch nach dem Umzug des Dementenwohnbereichs in ein eigenes Gebäude, das Haus Godenbergschlösschen ganz in der Nähe der Senioren-Residenz Godenblick, mit Erfolg fortgeführt.

Pflegekräfte kennen das: Demente, die mit Einbruch der Dämmerung (sog. „sundowning-Syndrom“) zunehmend aktiver und unruhiger werde, die nachts im Wohnbereich herumirren und den Schlaf anderer Bewohner stören, ihre und fremde Zimmer verwüsten, stürzen. Für die Nachtwachen der Heime wird der Dienst nicht selten zur nervenaufreibenden Arbeitszeit. Die Antwort vieler Heime auf das „störende“ Verhalten der Demenzkranken ist leider allzu häufig eine Fixierung dieser Bewohner – mechanisch mittels Gurten, oder medikamentös durch Schlaf- und Beruhigungsmittel. Auch (widerrechtlich durch den Nachtdienst) verschlossene Zimmer sind eine Form, mit der Pflege sich gegen die nächtliche Aktivität zu wehren weiß.

NachtCafé in der Senioren-Residenz Godenblick

„All dies sind Maßnahmen, die unserer Erfahrung nach überflüssig sind“, so Jutta Schwartz, Heimleiterin der Senioren-Residenz Godenblick und des Hauses Godenbergschlösschen. An 365 Tagen im Jahr findet allabendlich das sogenannte NachtCafe speziell für die Demenzkranken Bewohner statt. Diese Form der Abendbeschäftigung wird wechselnd von einem Mitarbeiter des Pflegeteams, darunter auch eine Ergotherapeutin, übernommen. In der Zeit von 19:30 Uhr bis ca. 22:30 Uhr steht dann jeweils ein Mitarbeiter den Erkrankten für das gemeinsame Gestalten und Erleben des Abends zur Verfügung. Das Reportoir der Mitarbeiter an Beschäftigungsangeboten ist mittlerweile sehr groß, und reicht vom gemeinsamen schauen einer Fernsehsendung bis hin zum Geschichten vorlesen, Wäsche falten, Kartoffeln schälen, Gedächtnisspielen, Zeitungsrunden und vielem anderen mehr. Flexibilität müssen die Mitarbeiter dafür schon mitbringen – denn nicht immer hat die Bewohnergruppe, die aus 6 bis 12 Dementen besteht, Lust auf das vom Mitarbeiter geplante Programm. Ein wesentlicher Konzeptionsteil des NachtCafé ist die Basis der absolut freiwilligen Teilnahme der Bewohner, und der Möglichkeit der Erkrankten auch nach dem offiziellen Ende des NachtCafe sich weiterhin im Gemeinschaftsraum der Wohnebene 2 ungestört aufhalten zu können, falls trotz der späten Uhrzeit keine ausreichende Schlafbereitschaft entwickelt wurde. Bewohnern, die einen ausgeprägten Bewegungsdrang haben, wird ebenfalls Rechnung getragen, was an manchen Abendstunden zu ausgesprochen belebten Fluren führen kann. Besonders wichtig ist es, dass der Mitarbeiter der das NachtCafe betreut im Laufe des Abends eine verfrühte allgemeine Aufbruchstimmung verhindert. Kekse oder ein anderer Snack gehören natürlich jeden Abend dazu. Daher auch die Bezeichnung NachtCafe: Es ist bekannt, dass bei vielen Demenzkranken das Koffein im Kaffee eine paradoxe Wirkung haben kann: es macht nicht wach, sondern schläfrig.

„Die Mitarbeiter berichten immer wieder von ganz neuen Sichtweisen auf und für die Bewohner“, so Christiane Möller, Pflegedienstleiterin des Godenbergschlösschen. „Sie erleben die Erkrankten an diesen Abenden einfach anders, als bei alltäglichen Pflegemaßnahmen und empfinden dies als sehr wohltuend.“.

Das Heim hält ein dreiteiliges Konzept vor, welches speziell für und auf die Bedürfnisse dementer Menschen abgestimmt wurde. Das NachtCafe ist für das Haus Godenbergschlösschen, dass dem Unternehmen Senator Senioren-Residenzen und Pflegeheime mit Verwaltungssitz in der Hansestadt Lübeck (www.senator-residenzen.de) angehört, unverzichtbarer Bestandteil der Dementenpflege. Ein Effekt des NachtCafes ist der signifikante Rückgang verabreichter Medikamente, die den Nachtschlaf oder die Nachtruhe gewährleisten sollen. Damit wird auch der Medikamentenüberhang, der durch die nächtliche Verabreichung vielfach entsteht vermieden, was das Sturzrisiko der Bewohner erheblich mindert. Aber dies ist nicht der einzige Effekt der Abendbeschäftigung. Die Bewohner wirken insgesamt zufriedener und ausgeglichener – denn das NachtCafe bedeutet auch Lebensqualität. Weder junge noch ältere Menschen sind es nämlich in der Regel gewohnt, abends kurz nach 19:00 Uhr wenn das Abendbrot beendet ist, zu Bett zu gehen.

Insgesamt ist als eine Beschäftigung mit und für die Erkrankten abends sehr sinnvoll und als bedarfsorientiert zu betrachten. Für den Erkrankten allzu anspruchsvolle und aufregende Tätigkeiten sind abends jedoch zu vermeiden, und das Ende des Abendsprogramms sollte ritualisiert sein, um einen weiteren Orientierungspunkt zur Zeit zu bieten.

Dem gestörten Schlaf-/Wachrhythmus über ein gesteigertes Beschäftigungsangebot tagsüber, z.B. vormittags begegnen zu wollen, bleibt in seiner Wirkung strittig. Denn Untersuchungen dazu haben teilweise überraschende Ergebnisse gebracht: Je aktiver ein Dementer tagsüber war, desto weniger schlief er des nachts. (Zeitschrift für Gerontopsychologie und –psychiatrie, 11, 1998 Heft 2 S. 61 –67; Verlag Hans Huber AG, Bern).



Beitrag von Jochen Gust

 

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