Brief an MuttiDiesen Brief hab ich voriges Jahr an Mutti geschrieben. Und immer wenn es mir mal zuviel wird, lese ich ihn und weiß dann, dass es so gut ist, wie es ist. Die Alzjahregehen nicht spurlos an einem vorbei. Was hat Mutti??? Warum ist sie so böse?
Heute nach so vielen Jahren genügt ihr das Gefühl von Wärme und Geborgenheit.
Wie oft habe ich drüber nachgedacht, womit ich dich denn beschäftigen kann, wo du doch eigentlich nie gerne etwas gemacht hast. Viele Dinge vielen mir ein, und es hat geklappt. Du hast es getan, akzeptiert, geduldet, mitgemacht.
Oft wünsche ich mir, dass du spürst und merkst, dass ich - deine früher so verhasste Schwiegertochter - dich einfach nur lieb habe und alles tun werde bis dein letzter Weg beschritten sein wird.
Du bist aus deiner Heimat verjagt worden und musstest alles da lassen was dir lieb war, dafür lieben wir dich.
Du wolltest mit uns zusammenwohnen als dein Mann starb. Ich bin froh für ihn, dass er dich nicht mit deinem Begleiter gesehen hat. Er wäre daran zerbrochen.
Kannst du dich erinnern als unser Kater Peterle vergiftet vor der Balkon Tür lag? Das war traurig für uns und du hast mit mir geschimpft: “Wo bleibt mein Frühstück?“ hast du gerufen.
Heute macht dein Sohn - den deine Mama großgezogen hat und deshalb auch nie ein gutes Verhältnis zu dir entwickeln konnte - deinen Popo sauber. Ja Mutti das ist auch mein Verdienst. Er streichelt dich genau wie ich. Das konnte er nie, weil du eigentlich gar nicht so viel von ihm wissen wolltest - dein eigens leben war dir immer wichtiger. Er umsorgt dich auch wie ich - hast du es schon mal gemerkt? Mutti!!! Weißt du, dass er auch schon Rentner ist? Er hat sich seine Rentnerzeit auch anders vorgestellt. Aber nun bist du da und wir müssen klar kommen damit. Bisher haben wir für alle Sorgen und Probleme eine Lösung gefunden. Was wäre denn anders wenn du nicht da wärst? Nicht so sehr viel. Gut wir könnten uns mehr Zeit für unsere Belange nehmen. Aber sonst, gar nicht so sehr viel. Es ist nur weil man weiß, man ist angebunden - da fühlt man sich dann eingesperrt. Ist aber nicht so - na gut - manchmal schon. Aber im Großen und Ganzen ist es gut so wie es ist. Kannst du dich an Frau G. erinnern die immer mit dir spazieren ging? Die hat dann mal gesagt, du seiest blöd. Sie ist es selbst. Weißt du noch als wir mit ihrer Tochter regelmäßig Karten spielten? Dann bist du schlimmer krank geworden und sie haben uns abgeschossen. Ich kenne sie nicht mehr - will ich auch nicht. Irgendwann werden sie auch alt - und hoffentlich nicht krank - werden. Aber so lernt man dann die so genannten ehrlichen Menschen kennen. Du bist ehrlich, wenn du sagst, du hast mich lieb. Dietmar ist ehrlich, wenn er sagt er liebt mich. Meine Enkel sind ehrlich, wenn sie mit ihrer wunderbaren Art kommen und kuscheln. Das ist ein Kreis, der sich schließt.
Viele Menschen die auch von ALZ begleitet werden und wurden, durften wir schon kennen lernen. Mich berührt es besonders, wenn der Ehepartner erkrankt ist. Weißt du noch, als du mal ganz arg böse warst? Da haben wir dann zu der Musik von André Rieu getanzt. Den hast du gerne im Fernseher gesehen mit seinen Walzerklängen. Hat dich das an schöne Dinge erinnert? Weißt du noch, als ich mit dir in einem ALZ-Café zum Tanzen war? Das war schön für dich. Einmal hattest du einen Kavalier zum tanzen aber dann musstest du doch wieder mit mir vorlieb nehmen.
Eigentlich warst du seit 1992 immer an unsrer Seite. Selbst auf unsrer Hochzeitsreise haben wir dich mitgenommen. Nur hättest du nicht unbedingt morgens um 7 schon an der Türe klopfen müssen. Es gibt ja ein schönes Buch von Eric Malpass „Morgens um 7 ist die Welt noch in Ordnung“, aber da hatte ich dich nicht so arg lieb. Ich bin traurig darüber dass du nicht merkst, wie wir um dich sorgen. Aber würde mich einer fragen, ob ich dich noch mal pflegen würde, ich würde „Ja“ sagen.
Es ist gut so.
Ich hatte nie eine Freundin. Du bist eine für mich. Ehrlich, aufrichtig und lieb. Und ich kann dir viel sagen. Du hörst gut zu. Früher hab ich immer gedacht, ich hätte keine liebe Schwiegermutti. Die war immer böse zu mir - warum? Aber egal, heute hab ich eine- sogar eine ganz liebe! Mutti, du hast immer gerne unsre Rosen bewundert. Ich denke ich werde eine nur für dich einpflanzen. Wie werde ich sie nennen? Mutti-Rose? Ich denke schon: „Schade das es keine in deiner Lieblingsfarbe himmelblau gibt.“ Mutti wir werden bei dir sein solange du uns brauchst. Das Versprechen hab ich dir gegeben. Lass mich manchmal schimpfen und traurig sein. Lass mich manchmal denken, ich mag nicht mehr. Du weißt doch, dass du dich auf uns verlassen kannst. Das konntest du doch immer. Ich hab dich lieb Mutti und das alleine zählt.
© Brigitte Pfeiffer
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