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Kohlhammer 2006
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Fixierungen in der Pflege© Friedhelm Henke, Anröchte-Berge |
Auch mittels einer Humanen Fixierung ist ein Straftatbestand erfüllt. Mögliche Rechtfertigungsgründe sind Einwilligung, Notwehr und Notstand. Während einige Patienten frührer mit Lederriemen befestigt wurden, erfolgt seit einigen Jahren als Mittel der letzten Wahl die so genannte humane(re) Fixierung. Das Buch „Fixierungen in der Pflege“* beschreibt und illustriert die Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hinterfragt und praktische Anwendungsweisen von Fixiergurten und Bettseitenteilen sowie deren strenge Indikationsstellungen und Gefahren. Fixierungen sind stets als letztes Mittel der Wahl anzusehen. Rechtliche LageBei folgenden Handlungen (Fixierungen) ist nach § 239 StGB bereits der Tatbestand der Freiheitsberaubung erfüllt:
Fixierung ist niemals ein Pflegeziel, sondern stets ein aktuelles Pflegeproblem, welches bei der Pflegeevaluation als veränderungsbedürftig zu betrachten ist. BettseitenteileBeim Einsatz von Bettgitter (Bettseitenteile oder Bettscheren) besteht die Gefahr, dass Pflegebedürftige Kopf bzw. Extremitäten zwischen Streben oder sich zwischen Matratze und Bettseitenteile klemmen. Dabei kann es zu Druckstellen, Hämatome, schwere Quetschwunden und Knochenbrüche der Finger, Arme und Beine bis hin zu Strangulationen kommen. Vom Hersteller vorgesehene Bettgitterpolsterungen, -ummantelungen bzw. Schutzbezüge sind hilfreich, um die Einklemmungsgefahr zu reduzieren. Der Betroffene kann unter Umständen dennoch seinen Fuß oder seine Hand zwischen Bettseitenteile und Bettrahmen einklemmen. Beim Anblick von Bettgittern können insbesondere bei psychisch Erkrankten negative Assoziationen hergerufen werden. Bettgitterstäbe können an ein Kinderbett oder an Gefängnisgitter erinnern und das Gefühl „jetzt werde ich bestraft“ vermitteln. Geteilte Bettseitenteile, die den Betroffenen nicht daran hindern, das Bett selbst zu verlassen, bedürfen keiner Genehmigung, weil der Tatbestand der Freiheitsberaubung damit nicht erfüllt wäre. Rechtfertigungsgründe für eine FixierungDie Fixierung eines Pflegebedürftigen ist nur unter folgenden Bedingungen zulässig:
Bei einer schriftlichen Einwilligung eines einwilligungsfähigen Patienten bedarf es bei der Fixierung keiner ärztlichen Anordnung und auch keiner richterlichen Genehmigung. Einwilligungsfähig ist, wer Art, Bedeutung und Tragweite einer Maßnahme nach entsprechender Aufklärung und Beratung erfassen und seinen Willen danach bestimmen kann (vgl. §§ 104 ff BGB §§1903 ff BGB). An einer Einwilligung wird es bei fixierungsbedürftigen Patienten häufig fehlen. Eine Fixierung ohne Einwilligung des Patienten ist nur zulässig beim Rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB), wenn z. B. eine unmittelbare Gefahr für den Patienten selbst bzw. für andere ausgeht (Gefahr im Verzuge), sowie bei Notwehr oder Nothilfe (§ 32 StGB) z. B. Verteidigung des Pflegepersonals bei einem Angriff seitens eines Pflegebedürftigen. Hier ist immer da geringste Mittel anzuwenden. Eine freiheitsentziehende Maßnahme kann grundsätzlich nur ärztlich empfohlen werden, wenn
Hierbei handelt es sich nicht um generelle Rechtfertigungsgründe, sondern nur Aspekte, bei denen überhaupt erst an eine Fixierung in Betracht gezogen werden kann. Der Arzt muss in geeigneten Zeitabständen die Fixierung bezüglich der Notwendigkeit und Fortdauer kontrollieren. Auch die Pflegenden müssen den Fixierten in besonderer Weise beobachten und betreuen. Konnte das Einverständnis des Arztes ausnahmsweise nicht vorher eingeholt werden, so ist unverzüglich nach der Fixierung ein Arzt zu benachrichtigen. Weiß der Arzt, dass der Pflegebedürftige länger als 24 Stunden fixiert werden soll, muss er sofort das Vormundschaftsgericht einschalten. In der Praxis delegiert dies der Arzt oft an das Pflegepersonal. Innerhalb der 24 Stunden muss dieses sich von der Notwendigkeit der Fixierung überzeugen. Der Pflegebedürftige darf nicht nach 23 Stunden eine Stunde losgemacht werden, um danach weiterfixiert werden zu können. Um im Umgang mit Fixierungen sicher auftreten zu können, ist zu beachten:
Ablehnung der FixierungDer Wunsch bzw. die Zustimmung des Angehörigen ist bedeutungslos. Einzig entscheidend ist der Wille des Betroffenen bzw. des Betreuers. Die Zustimmung des Betreuers ist vor jeder Anordnung (im Notfall nachträglich) einzuholen. Bei einer kurzfristigen Fixierung kann ein Betreuer der Fixierung nur zustimmen, wenn er auch den Aufgabenbereich der Unterbringung übertragen bekommen hat. Eine reine Betreuung für Vermögensangelegenheiten reicht hier zum Beispiel nicht aus. Ein orientierter Pflegebedürftiger kann die Fixierung ablehnen (z. B. nach ärztlicher Aufklärung). Die Ablehnung muss dann schriftlich dokumentiert werden und vom Betroffenen unterschrieben werden. Lehnt ein nicht ausreichend orientierter Pflegebedürftiger die Fixierung ab, ist sie nur im Rahmen lebensrettender Maßnahmen zulässig. Aber auch die Notfallmaßnahmen bedürfen dann zumindest einer (nachträglichen) Genehmigung des Vormundschafts-gerichtes (§ 1906 Abs. 2 BGB). Das folgende Fallbeispiel aus der Praxis verdeutlicht die rechtliche Problematik der Fixierungen unter dem Blickwinkel der Freiheitsberaubung. Beispiel: Die Altenpflegerin Maria Dahn ist aufgrund des unruhigen Verhaltens einer Bewohnerin gestresst und legt ihr regelmäßig den Fixiergurt an. Außerdem stellt sie das Bettgitter hoch.
> I: Der Tatbestand der Freiheitsberaubung ist erfüllt. Die Tat ist rechtswidrig, es liegt kein Rechtfertigungsgrund vor. Die Altenpflegerin handelt schuldhaft (vorsätzlich, bewusst und gewollt). ? II: In Notsituationen wäre ihr Verhalten erlaubt. Zum Beispiel, wenn der Gesundheitszustand der Pflegebedürftigen sich durch ihre motorische Unruhe verschlechtern würde. Wenn sich die Patientin selbst und/oder andere gefährdet, eine erforderliche Therapie (z.B. Infusion) durch motorische Unruhe unmöglich ist oder Bewegungs-/Haltungsstörungen vorliegen, kann eine Fixierung gerechtfertigt sein. Der Beweis, dass Fixierungen Stürze verhindern ist bislang von keiner Studie erbracht worden. Eine erhöhte Bewegungseinschränkung (durch das Anbringen eines Bettgitter) führt zu häufigeren und gefährlicheren Stürzen. So konnte beobachtet werden, dass in Pflegeeinrichtungen die den Einsatz von Fixierungen und Bettgittern befürworten, die Anzahl von Sturzverletzungen und Einklemmungen erhöht ist. Fixierung des Patienten in einer Leibbandage Vor der Benutzung muss das Gurtsystem auf schadhafte Nähte bzw. auf abgerissene Teile untersucht werden. Die Funktion aller Verschlüsse muss geprüft werden. Nicht mehr sicher schließende Systeme dürfen nicht verwendet werden. Bei den Gurtsystemen handelt es sich nicht, wie irrtümlicherweise häufig gedacht wird, um Universalgrößen. Sind die Gurte zu klein oder zu groß, ist die Sicherheit beeinträchtigt. Außerdem wären dem Patienten zu weite oder zu enge Gurten unbequem. Zur Fixierung (v.a. in der Psychiatrie) wird ein Einzelzimmer vorbereitet. Der Pflegebedürftige sollte dann von mehreren Pflegekräften in das Zimmer gebracht werden. Bedacht werden muss dabei, dass zu viele Personen den Betroffenen zusätzlich verunsichern können. Es muss ihm immer die vom Arzt verordnete orale Applikation von Sedativa (Beruhigungsmitteln) angeboten werden. Wenn der Betroffene zustimmt, kann auf eine Fixierung ggf. verzichtet werden. Wird die Medikation abgelehnt, halten die Pflegekräfte den Betroffenen an den Extremitäten fest und legen ihn ins vorbereitete Bett. Dort wird er fixiert und bekommt dann wieder die orale Medikation zur Beruhigung angeboten, die falls notwendig nach ärztlicher Anordnung auch injiziert werden kann. Bei der Fixierung sollte immer das möglicherweise erhöhte Verletzungsrisiko berücksichtigt werden, welches insbesondere beim Einsatz eines Bettgitters entstehen kann (Strangulationsgefahr, wenn der Patient über das Bettgitter klettert und aus dem Bett fällt sowie Einklemmungsgefahr). Diagonale Drei-Punkt-Fixierung / Fünf-Punkt-Fixierung Zu sicheren Fixierung werden außer der Taille des Betroffenen auch eine Hand und der gegenüberliegende Fuß (diagonale Fixierung) an Gurten befestigt. Werden alle Extremitäten (beide Hände und beide Füße) fixiert, handelt es sich um eine Fünf-Punkt-Fixierung. Diese Fixierungen bieten eine sichere Ruhigstellung. Trotzdem müssen zur weiteren Erhöhung der Sicherheit wie bei allen Fixierungen so auch hier, grundsätzlich die Bettgitter hochgestellt werden. Um die Fixierung human vorzunehmen, darf der fixierte Patient während dieser Zwangsmaßnahme niemals allein gelassen werden. Erforderlichenfalls ist eine Sitzwache zu gewährleisten, die den Betroffenen betreut bzw. in regelmäßigen Abständen nach ihm sieht, „ihn in besonderer Weise beobachtet und betreut“ und ein Fixierungsprotokoll führt. Insbesondere nach der Applikation von Sedativa ist die Vitalzeichenkontrolle sehr wichtig. Wenn kurzzeitig das Zimmer verlassen wird, muss der Patient die Rufanlage bedienen können. Eine Fixierung ist für den Pflegebedürftigen eine Einschränkung seiner Freiheit und schafft oft ein enormes Misstrauen gegenüber Pflegefachkräften. Sobald die Fixierung nicht mehr erforderlich ist und sich der Pflegebedürftige wieder beruhigt hat, muss mit ihm über den Vorgang gesprochen werden. 10 Regeln für das Anbringen von FixiergurtenVor einer Fixierung sind mögliche Alternativen zur Fixierung zu klären.
Alternativen zu FixiergurtenMittels „Bodenlagerung“ versuchen Pflegeeinrichtungen, die Fixierung sturzgefährdeter Pflegebedürftiger im Pflegebett zu vermeiden. Dabei stellt sich häufig heraus, dass der alte und kranke Mensch, ein gestörtes Gefühl und eine gestörte Wahrnehmung dafür haben, auch tatsächlich in einem Bett zu liegen und nicht auf dem Boden „vergessen“ worden wären. Weitere Nachteile sind, dass der Pflegebedürftige über den Fußboden scheuert und sich Verletzungen zuziehen kann. Es ist fraglich, wie ein auto-/fremdaggressiver Patient im Bedarfsfall auf dem Boden fixiert werden kann. Spezielle Pflegedecken aus Belgien (Infos unter: www.CareComfort.be), die mit Reißverschluss um die die Matratze angebracht werden sind speziell für unruhige und bettlägerige Menschen entwickelt worden. Sie lässt große Bewegungsfreiheit und ermöglicht das Liegen auf dem Rücken und auf der Seite. Wird durch diese Pflegedecke eine Person jedoch bei vorhandener willkürlicher Bewegungsfähigkeit in der Freiheit eingeschränkt, gilt sie auch als genehmigungspflichtige FEM! Hier ist es also besonders wichtig den Einzelfall zu betrachten und mit allen Beteiligten einen gemeinsam vertretbaren Konsens zu finden. Im Sinne der individuellen Pflege und Betreuung gibt es folglich höchstens Alternativen, die im Einzelfall, nicht aber pauschal genehmigungsfrei verwendet werden können! Dokumentation der FixierungJede Fixierung ist im Dokumentationssystem schriftlich zu dokumentieren. Ein Fixierungsprotokoll muss folgende Angaben enthalten:
FixierungsprotokollBuchvorstellung:Fixierungen in der Pflege - Rechtliche Aspekte und praktische Umsetzung Friedhelm Henke
Fixierung ist stets als letztes Mittel der Wahl zu sehen, dessen Anwendung von den Pflegenden immer hinterfragt werden muss. Dieses Buch beschreibt und illustriert anschaulich die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) empfohlenen praktischen Anwendungsweisen von Fixiergurten (z. B. zur Drei- oder Fünf-Punkt-Fixierung) und Bettseitenteilen sowie deren strenge Indikationsstellungen und Gefahren. Der Autor berücksichtigt dabei das ganzheitlich und humanistisch orientierte Pflegeverständnis und erklärt praxisnah, wie mit den rechtlichen Aspekten (Einwilligung, Betreuung, ärztliche Anordnung, richterliche Genehmigung und Fixierprotokoll u.a.) umzugehen ist. |