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Demenz als Politikum

© Dr. Dr. Herbert Mück, Köln

Von Dr. Harald Michel, Leiter der Abteilung Gesundheitspolitik, Pharmacia & Upjohn GmbH, Erlangen

Spätestens seit Sommer dieses Jahres (1996) sind Demenzen auch ein offizielles (bundes)politisches Thema. Vertreten durch ihr Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beantwortete die Bundesregierung eine Große Anfrage der SPD zur "Situation der Demenzkranken in der Bundesrepublik Deutschland". Auf 42 Schreibmaschinenseiten findet der Leser zu insgesamt 27 Teilfragen eine relativ kompakte, fast lehrbuchartige Zusammenfassung des heutigen Wissens zur Demenz. Es lohnt sich, diese "offiziellen" Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen, da sie das politische Denken und Handeln der nächsten Jahre im Sinne eines "State of the Art" beeinflussen können. Zum Nachdenken und Spekulieren ermuntert allein schon die Feststellung, daß die Anfrage vom Senioren- und nicht vom Gesundheitsministerium beantwortet wurde.

Immer mehr Demenz-Kranke

Aus epidemiologischer Sicht räumt die Bundesregierung ein, daß in Deutschland bislang nur kleinere Studien eher deskriptiven Charakters durchgeführt worden sind. Unter Vorbehalt geht sie davon aus, daß derzeit bei uns zwischen 720.000 und 850.000 Personen an einer mittelschweren bis schweren Demenz leiden. Bei Einbeziehung leichterer Stadien rechnet sie mit 1,2 Millionen Betroffenen, wobei auch Schätzungen von bis zu 1,5 Millionen Demenz-Kranken nicht mit letzter Sicherheit zurückzuweisen seien. Für die weitere Entwicklung bis zum Jahr 2010 rechnet die Bundesregierung mit einem Anstieg der Gesamtzahl auf 1,6 bis 1,7 Millionen. Ob diese Vorhersage zutreffen wird, hängt nicht zuletzt von der weiteren Entwicklung der Sterblichkeitsrate bzw. einer möglichen Verlängerung der Überlebenszeit Demenz-Kranker ab. Im Hinblick auf die prozentuale Verteilung der primär degenerativen Demenzen schließt sich die Bundesregierung folgenden Häufigkeitsangaben an: 50 bis 60 Prozent Demenzen vom Alzheimer Typ, 15 bis 20 Prozent Demenzen vom vaskulären Typ und etwa 15 Mischformen aus beiden Typen.

Nicht heilbar, aber behandelbar

In therapeutischer Hinsicht vertritt die Bundesregierung die Auffassung, primäre Demenzen seien zwar bislang nicht "heilbar", wohl aber "behandelbar". Ähnlich wie bei anderen Leiden gebe es Möglichkeiten, deren Auswirkungen zu mildern. Folgenden Behandlungszielen gibt das oberste Exekutivorgan Vorrang:

Diese Ziele seien durch einen mehrdimensionalen ganzheitlichen Ansatz mit folgenden unverzichtbaren Einzelkomponenten zu verfolgen:

Unverzichtbarkeit von Nootropika

Die Antwort zu Teilfrage 14 wird möglicherweise die unerfreuliche Diskussion zur Nützlichkeit von Nootropika mit einem "Machtwort" von höchster Ebene beenden. Denn die Bundesregierung stellt unmißverständlich klar, daß man auf diese Substanzgruppe in absehbarer Zeit "nicht verzichten können" wird.. Ohne Präparatenamen zu nennen, weist die Bundesregierung darauf hin, daß sieben Pharmaka behördlich zur Therapie von Hirnleistungsstörungen bzw. Demenzen zugelassen sind. Einwandfreie Studien zur Wirksamkeit von Nootropika gebe es bislang nur für wenige Substanzen. Diskussionen über den Wert einer Behandlung seien vor allem darauf zurückzuführen, daß viele klinische Studien zu älteren Präparaten heutigen methodischen Standards nicht entsprechen. Auch wenn das Ausmaß der erzielbaren Verbesserungen mitunter gering ausfalle, sei ein Behandlungsversuch gerechtfertigt mit dem Ziel, das Leben der Betroffenen wenigstens etwas zu erleichtern. Da die Nebenwirkungsrate von Nootropika eher gering ist, dürfte ihr Nutzen das Risiko einer Behandlung überwiegen, wenn die Therapie in der Frühphase der Erkrankung beginnt. In diesem Zusammenhang weist die Bundesregierung zugleich auf die Notwendigkeit einer ausreichend langen Behandlung hin. Aus ökonomischer Sicht liege der Nutzen einer medikamentösen Therapie darin, daß sie den Krankheitsverlauf verlangsame und es so ermögliche, die häufig kostengünstigere häusliche Versorgung länger beizubehalten bzw. die stationäre Versorgung hinauszuzögern.


Wir danken

für die Bereitstellung des Textes aus dem ZNS- bzw. DEMENZ-SPEKTRUM

 

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