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... die Frau, die in die Situation einer pflegenden Angehörigen hineingerutscht ist - egal wie und wann, jedenfalls
ist sie jetzt dort: Manchmal geht es Lena durchaus gut, sie erholt sich dann vom letzten Zwischenfall und ruht sich aus,
liegt im Wasser, tankt Energie und einer von den anderen gerät in einen Strudel. Manche haben dennoch keine Kraft mehr, sie haben schon zu lange gegen die Strömungen gekämpft, sie waren besonders starken Strudeln und Stürmen ausgesetzt und müssen raus, um nicht zu ertrinken, aber sie wissen nicht wie, haben Angst. Dann kommen die Rettungsschwimmer und helfen zusammen mit Lena und den anderen, dass sie ohne große Blessuren wieder an Land kommen. Alle paar Tage trauen sich neue ins Meer. . Lena und die anderen rufen ihnen zu, wo sie aufpassen müssen und
dass das Meer gefährlich ist, erzählen ihnen von der Leine. Manche kommen schon ganz kraftlos an und die im
Wasser denken: Ab und zu sind Lenas Geschwister am Strand und schimpfen sie aus, sie soll da raus kommen und überhaupt, warum
sie das überhaupt gemacht hat und warum sie nicht weiter mit ihnen ans Mittelmeer fährt. Da war es doch immer so
schön. Und da ist eine Freundin von Lena, die ihr zuwinkt. Sie sagt nicht viel, aber sie weiß, dass Lena das schon
richtig macht und sowieso nicht anders könnte. Und Lenas Tochter sitzt am Strand und schaut der Mutter zu. Manchmal war sie mit ihr zusammen im Atlantik,
einmal waren sie beide starken Turbulenzen ausgesetzt. Lena hat ihre Tochter dann wieder an Land schwimmen lassen,
es wäre zu gefährlich geworden. Aber die Tochter kommt dennoch immer mal vorbei und feuert Lena an, manchmal
schwimmt sie auch eine Weile mit. Sie ist noch sehr jung, aber sie hat schon ein Menge gelernt im Umgang mit
Stürmen und den Urgewalten des Lebens. Sie beide waren vorher immer nur am Mittelmeer. Manche Leute gehen vorbei
und fragen sich, warum Lena nicht besser auf die Tochter aufpasst, aber Lena weiß, dass die Tochter inzwischen
gut allein zurecht kommt. Die Passanten schütteln den Kopf Und da sind sie wieder, die Geschwister von Lena und schreien sie an, sie soll da raus kommen, ob sie denn gar nicht wisse, dass ihre Ehe daran kaputt gehe, an ihrem Eigensinn und ihrer Sturheit? Ach ja, Lena hat ja einen Ehemann, wo ist der überhaupt? Der ist im Hintergrund, er kennt sich nicht so aus mit den Gefahren am Atlantik und kann ihr nicht groß helfen, er sieht die Leine auch mit großer Skepsis. Ist die überhaupt gut oder zieht sie Lena noch tiefer ins Wasser? Er macht sich Sorgen, bleibt aber im Hintergrund, beobachtet Lena und wartet darauf, dass sie endlich wieder raus kommt, dass sie endlich wieder mit ihm ans Mittelmeer fährt. Er weiß, dass Lena tut, was sie tun muss und dass er gar nicht dagegen anzureden braucht - und im Grunde liebt er sie dafür. Lena weiß, dass sie nicht mehr lange schwimmen muss, das Schlimmste ist geschafft. Sie freut sich schon auf die ruhige Zeit am Mittelmeer, aber manchmal fragt sie sich auch, ob es ihr dann nicht zu langweilig wird..... © Maria Tölle im Mai 2000 |