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Begabungen können der Demenz trotzen

© Dr. Dr. Herbert Mück, Köln

USA. Offenbar schaffen es einige Demenz-Kranke, hochentwickelte Fähigkeiten nicht zu verlieren, obwohl ihr Leiden unaufhaltsam seinen Lauf nimmt. Darüber hinaus scheint es sogar Patienten zu geben, die selbst dann noch spezielle Begabungen entwickeln können, wenn ihre Demenz bereits relativ weit vorangeschritten ist.

Auf dieses Phänomen machen W. W. Beatty und Mitarbeiter in einer Zusammenstellung entsprechender Kasuistiken aufmerksam. Unter anderem berichten sie von einem 71jährigen Alzheimer-Kranken, der weiterhin in einer Jazzband perfekt Posaune spielt, sowie von anderen alten Alzheimer-Kranken, die überdurchschnittlich gut Bridge, Canasta und Domino beherrschen. Die amerikanischen Wissenschaftler überzeugten sich davon, daß die guten Leistungen der Kranken nicht auf ein Entgegenkommen der Mitspieler zurückzuführen ist. Zu diesem Zweck spielte ein Mitglied des Forscherteams selbst gegen die Kranken Bridge, Domino und Canasta.

Besonders eindrucksvoll erscheint das Beispiel eines 66jährigen ehemaligen Ingenieurs, der erst nach Beginn seiner Demenz Freude am Puzzlen entwickelte und es dabei zu außergewöhnlichen Leistungen brachte: Im Vergleich zu einem gesunden Probanden (Mitglied des Wissenschaftler-Teams) schaffte er es fast doppelt so schnell, unbekannte Puzzles zusammenzufügen.

Beatty und Mitarbeiter vermuten zwar, daß dem Patienten seine früheren Fertigkeiten als Ingenieur beim Puzzlen zugute kamen. Andererseits betrachten sie den Fall dieses Kranken aber auch als Beispiel dafür, daß kognitive Fähigkeiten selbst dann der Demenz trotzen können, wenn sie früher nicht speziell trainiert worden waren. Den meisten Demenz-Patienten mit erhaltener Sonderbegabung war gemeinsam, daß sie eine relativ gute Ausbildung hatten und vor ihrer Erkrankung intellektuell gut funktionierten. Die amerikanischen Wissenschaftler fragen sich, ob solche Menschen über eine größere kognitive "Reserve-Kapazität" verfügen. Sie könnten es den Kranken ermöglichen, den Verlust von Fähigkeiten über längere Zeit zu kompensieren.

Die von den Autoren mitgeteilten Kasuistiken werfen die Frage auf, warum einige hochentwickelte Fähigkeiten trotz einer Demenz erhalten bleiben, während andere - oft weniger anspruchsvolle - Verhaltensmöglichkeiten verloren gehen. Möglicherweise liegt dies daran, daß entsprechende Erinnerungen (wie bestimmtes Verhalten funktioniert) nicht prinzipiell "verloren" gehen, sondern sich nur dem Zugriff entziehen. Wäre dies der Fall, dann würde dies therapeutische Konsequenzen haben. Besserungen wären dann vor allem von solchen Behandlungsstrategien zu erwarten, die wieder einen Zugang zu den noch vorhandenen Erinnerungen schaffen.

W. W. Beatty et al.: Preserved cognitive skills in dementia of the Alzheimer type. Arch. Neurol. 51 (1994) 


Wir danken

für die Bereitstellung des Textes aus dem ZNS- bzw. DEMENZ-SPEKTRUM

 

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