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Übertreffen Betreuer ihren Ruf?

© Dr. Dr. Herbert Mück, Köln

Möglicherweise stehen viele Vorstellungen darüber, wie sich die Betreuung eines Demenz-Kranken auf den Betreuer auswirkt, auf wackeligen Füßen. Denn die meisten Veröffentlichungen, die sich bisher mit dieser Thematik befaßten, interessierten sich vor allem für die "krankmachenden" Folgen des betreuerischen Engagements, wie Erschöpfungszustände, Depressionen, sozialer Rückzug und völlige "Selbstaufgabe". Daraus leitete sich dann die Forderung ab, die Betreuer zu unterstützen und so den genannten Folgen vorzubeugen.

Zwei neuere Publikationen werfen nun die Frage auf, ob bislang nicht zu einseitig geforscht wurde. Tatsache ist nämlich, daß die meisten Studien vor allem gezielt nach krankmachenden Faktoren fahndeten und daher auch nichts Besseres bzw. Hilfreicheres als "Pathologie" finden konnten. Dagegen wurde die Situation nur äußerst selten aus einer positiveren Sicht beleuchtet, etwa in Form der Fragen: Entscheiden sich möglicherweise vor allem besonders befähigte Personen dazu, einen chronisch Kranken zu betreuen? Kann man an einer solchen Aufgabe nicht sogar wachsen bzw. aus ihr Lebenssinn und entsprechende Kraft schöpfen?

Eine auf einer Bevölkerungsbefragung beruhende Studie von J. I. Farkas und C. L. Himes erschüttert zumindest eine bislang weit verbreitete Vorstellung: Vor allem berufstätige Frauen in mittlerem Alter scheinen sich keineswegs aus freiwilligen sozialen Aktivitäten zurückzuziehen oder "sich selbst aufzugeben", wenn sie zusätzlich einen hilfsbedürftigen Menschen betreuen. Eher das Gegenteil ist der Fall, da sich solche Frauen sogar vermehrt in Freizeitaktivitäten engagieren als Frauen, die niemanden betreuen. Die Studie läßt offen, wie man sich dieses Phänomen erklären kann. Möglicherweise fühlen sich gerade besonders leistungsfähige Frauen am ehesten der Aufgabe gewachsen, zusätzlich zu ihrem Beruf und ihrem privaten Engagement auch noch einen kranken Menschen zu betreuen. Denkbar ist ebenfalls, daß solche Frauen sich deshalb vermehrt privat engagieren, weil sie sich dadurch mehr entlastet als belastet fühlen.

Während sich die erwähnte Studie allgemein mit der betreuerischen Tätigkeit von Frauen befaßte, lenkt C. J. Farran die Aufmerksamkeit gezielt auf die möglicherweise bislang unterschätzten positiven Effekte der Betreuung Demenz-Kranker. Wie kommt es, daß manche Betreuer so zufrieden, ruhig und mit sich selbst in Frieden wirken? Warum wissen wir so wenig darüber, wie manche Betreuer es schaffen, unter extrem schwierigen Bedingungen so gut zurecht zu kommen? lauten einige der von der amerikanischen Autorin aufgeworfenen Fragen. Frau Farran selbst nimmt unter anderem an,

daß sich die Betreuungsforschung zu einseitig mit den negativen Folgen von Streß ("Disstreß") und kaum mit dessen positiven Auswirkungen ("Eustreß") befaßt hat, daß so gut wie keine Kriterien entwickelt wurden, mit deren Hilfe sich positive Auswirkungen der Dementen-Betreuung erkennen und messen lassen und daß man einseitig davon ausgeht, daß sich der Betreuer seiner Aufgabe "anpaßt". So übersieht man, daß der Betreuer möglicherweise auch daran wächst (gesundet), insbesondere indem er in seiner Aufgabe Lebenssinn entdeckt.

Vor diesem Hintergrund plädiert die Autorin dafür, daß sich künftige Studien auch mit folgenden Fragen beschäftigen: Welche Fähigkeiten und inneren Werte bringen Menschen mit, die sich als Betreuer zur Verfügung stellen? Gibt es bislang noch unbekannte Ressourcen, auf welche solche Personen zurückgreifen? Welche Fähigkeiten werden erst im Verlauf des Betreuungsprozesses entwickelt? Wie wirken sich die bei der Betreuung gemachten Erfahrungen auf den Betreuer langfristig aus (nachdem der Demenz-Kranke verstorben ist)?

Fazit der Redaktion: Trotz zahlreicher Studien scheinen Betreuer Demenz-Kranker überwiegend eher noch "unbekannte Wesen" zu sein, die bislang möglicherweise zu einseitig als "krankheitsgefährdet" und weniger als "leistungs- und entwicklungsfähig" dargestellt und wertgeschätzt wurden.

J. I. Farkas, C. L. Himes: The influence of caregiving and employment on the voluntary activities of midlife and older women. J. Gerontol.: Social Sciences 1997 (52B), S180-S189; C. J. Farran: Theoretical perspectives concerning positive aspects of caring for elderly persons with dementia: stress/adpatation and existentialism. The Gerontologist 1997 (37) 250-256


Wir danken

für die Bereitstellung des Textes aus dem ZNS- bzw. DEMENZ-SPEKTRUM

 

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