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Esskultur
im Bereich der verschiedenen Kostformen
im Heim



Von Markus Biedermann, Küchenchef und Kursleiter, Rumisberg

Der Ernährungszustand älterer Menschen

Der Ernährungszustand älterer Menschen ist das Ergebnis einer längeren Ernährungsgeschichte. Liegen im Altern ernährungsabhängige Krankheiten vor, so beruhen diese immer auf Fehlern, die schon in früheren Jahren gemacht wurden und die sich im Laufe der Zeit manifestiert haben. Eine bedarfsgerechte Ernährung im Alter kann daher niemals das Fehlverhalten vergangener Jahre vollständig ausgleichen. Trotzdem lässt sich das physische und psychische Wohlbefinden alter Menschen durch eine angemessene Ernährung beeinflussen. Folgende Kriterien sind dabei zu berücksichtigen:

Physiologische Veränderungen im Alter

Die physiologischen Veränderungen beim altern Menschen sind zahlreich und individuell unterschiedlich: Mit zunehmendem Alter verringert sich die Muskelmasse. Der Grundumsatz und damit der Energiebedarf sinken. Die Knochenmasse vermindert sich; bei Frauen bis zum 80 Lebensjahr um durchschnittlich 25 %, bei Männern nur um etwa 12 %. Die Kaufähigkeit ist gestört und es kommt zu Schluckstörungen durch reduzierte Speichelbildung.

Gegenwärtig sind 80 % Senioren Gebissträger. Geruchs- und Geschmackswahrnehmungen sowie Seh- und Hörleistungen lassen nach. Mit Veränderungen der Magen- Darmschleimhaut kommt es zu einer langsameren Resorption. Ferner ist eine verringerte Produktion von Verdauungssekreten und von Gallensaft zu verzeichnen. Die Entgiftungsleistung der Leber lässt nach.

Die Filtrationsrate der Niere wird geringer. Die Steuerung des Durstgefühls ist als Folge der verminderten Nierenleistung und der Veränderungen im Zwischenhirn nicht mehr gegeben. Vielfach wird der Durch nicht mehr wahrgenommen.

Ursachen von Ernährungsschwierigkeiten im Alter

Im Hinblick auf die stetig steigende Zahl alter Menschen ist ein Umdenken in den Heimküchen angesagt. In Zukunft muss das Angebot der verschiedenen Kostformen bereichert werden, um den wachsenden Ansprüchen der neuen Heimbewohner gerecht werden zu können. Da die Menschen tendenziell immer älter werden, wird es zukünftig immer mehr pflegebedürftige Heimbewohner geben.

Das heißt, diese Gäste haben meist Schluckbeschwerden, Verdauungsstörungen und durch fehlenden Zahnersatz Kaubeschwerden. Deshalb nimmt die Versorgung mit passierter Kost stetig zu, da die Gäste normale Kost nicht mehr zu sich nehmen können. Der Speiseplan Tagung 2002 des Fachverbandes Betagte. Heimverband Schweiz 66 schränkt sich ein, dadurch ist die Aufnahme von Nährwerten sehr schwierig. Durch den Nährwertverlust in der Produktion der Speisen wird mittags durch Zugabe von Rohkostsalaten, Blattsalaten, frisches Obst, Früchtequark und abends durch frische Salate, Tomaten, Radieschen, etc entgegengewirkt. Dies gilt für alle das grundsätzliche Angebot im Heim, jedoch bei abweichenden Kostformen im ersten Augenblick nicht umsetzen.

FAZIT:

Die meisten Gäste in Seniorenheimen können nur noch fein passiertes Essen zu sich nehmen. Vor Jahren hatten wir von 100 Menüs einzelne abweichende Kostformen, heute haben wir teilweise 30 – 40 % spezielle Kostformen. Die Zahl steigt stetig an.

Ein undefinierbarer, farbloser Einheitsbrei darf nicht länger die Mahlzeit sein, womit diese Patienten in Institutionen täglich versorgt werden. Es ist unumgänglich, die Kostformen aus ihrem Schattendasein von liebloser Restenverwertung zu befreien und Verbesserungskonzepte zu entwickeln. Einzig so kann den Heimbewohnern, die zunehmend anspruchsvoller werden, eine wertvolle, gesunde Ernährung und Genuss am Essen gewährleistet werden.

Eigenständiges Essen

Die verschiedenen Kostformen müssen als eigenständige Menüs gesehen werden, und zwar für einen Gast, der die gleichen Ansprüche an das Essen stellt, wie ein Gast, der Vollkost erhält. Dennoch hat man immer wieder das Gefühl, dass diese Kost, die mehr Gäste hat als vegetarische Gerichte, wie ein Stiefkind behandelt wird.

Das pürierte Essen gehört in den Verantwortungsbereich des Koches und nicht in den Bereich der Küchenhilfen. Geschmack und Konsistenz sind dabei wichtige Faktoren.

Der Weg zu positiven Ergebnissen

Voraussetzung für eine gezielte Verbesserung der Kostformen im Heim ist eine genaue Definition. Diese Definitionen sind mit der Pflege gemeinsam zu erarbeiten und die Mitarbeiter sind entsprechend zu sensibilisieren.

Ein Beispiel

Bezeichnung Beschreibung Indikationen
Vollkost

Ohne einschränkende Nahrungsmittel.

Fettarm, salzarm, schonende Zubereitungsarten stehen im Vordergrund. Berücksichtigung individueller Unverträglichkeit.

keine
Pürierte Kost

Ableitung von der Vollkost / leichte Kost in pürierter bis fein gehackter Form.

Sollte ohne große Kaubewegung einzunehmen sein. Auf Wunsch mit angepassten Zwischenmahlzeiten.

Kau- und Schluckschwierigkeiten, Erkrankung der Mundhöhle und der Zähne, Verengung der Speiseröhre, Aufbaukost. Die pürierte Kostform ist immer wieder zu überprüfen und gegebenenfalls auf gewürfelte oder normale Kost zu wechseln. Kauen ist ein Training für die Kaumuskulatur.

Folgende Fragen sind zu stellen:

Die Küche

Die Speiseversorgung ist das Kerngeschäft der Küche. Deshalb muss sich das Küchenmanagement überlegen, wie kann das passierte Essen attraktiv gemacht werden kann, damit der Speiseplan für passierte Kost wieder nährwertreich wird und dennoch nicht das Budget sprengt. Vorbei die Zeiten früh Brei, mittags passiertes Essen und abends Brei. Das Essen soll nicht nur satt machen, sondern dem Körper auch Nährwerte liefern. Durch COOK & CHILL wird das Anrichten von passierter Kost optisch verbessert. Hier können Sie mit Einweg-Spritzbeuteln, verschiedenen Tüllen und mit Formen arbeiten. Dies ist ein Weg den Gast anzuregen, die passierte Kost zu sich zu nehmen. Die verschiedenen Kostformen, welche von Diäten zu unterschieden sind, werden folgendermaßen definiert:

Der Begriff „Esskultur“ gewinnt im Bereich dieser verschiedenen Kostformen zunehmend an Bedeutung. Die herkömmlichen Zubereitungsarten müssen überdacht und den wachsenden Ansprüchen angepasst werden. Auch die neuen Techniken müssen berücksichtigt und genutzt werden, um dies verwirklichen zu können. So wurde ich beispielsweise immer wieder mit der Tatsache konfrontiert, dass in praktisch allen Heimen die verschiedenen Kostformen jeweils mindestens eine Stunde vor dem Essen fertig gestellt und bis zum Service warm gehalten werden. Diese Warmhaltezeiten können jedoch heute mittels der Errungenschaften der Technik umgangen werden.

Die Kostformen sind heute nicht nur vielfach so deprimierend zubereitet und angerichtet, dass kein Koch sie essen möchte, sie sind auch lebensgefährlich! Gerade im Alter spielt die gesunde Ernährung eine tragende Rolle in der Erhaltung der Gesundheit. Ein alter Mensch, der sich von aufgewärmten Resten oder ewig eingekochtem Gemüse ernähren muss, kann auf Dauer nicht gesund bleiben. Deshalb ist es auch hier absolut notwendig, die gesunde und ausgeglichene Ernährung in allen Kostformen zu gewährleisten. Die Heimküche kann sich im Bereich der verschiedenen Kostformen an der Gastronomie ein Vorbild nehmen, wo mehrfarbige oder sogar gefüllte Gemüseflans, Pürees oder Fleischpudding längst gängig sind. Löst man sich erst einmal von der Haltung, dass die Zubereitung der verschiedenen Kostformen nicht mehr viel mit dem Kochen an sich zu tun hat, öffnen sich plötzlich unzählige Möglichkeiten, die zu einer kreativen und liebevollen Zubereitung der verschiedenen Kostformen führen können. Mit etwas Liebe und Phantasie lassen sich im Rahmen der zerkleinerten Kost die schönsten Menüs kreieren. Anregungen zur Bereicherung des kulinarischen und ernährunsphysiologischen Grundsätzen:

Lebensmittel

Bedarf Zubereitung
täglich 1,5 bis 2 Liter Flüssigkeit (z.B. Mineralwasser, ungesüßte Kräuter- und Früchtetees, Gemüsesäfte und verdünnte Obstsäfte) Getränke Frische Gemüse und Obstsäfte zubereiten
Getreide Getreideprodukte, Kartoffeln sollen die Basis der Ernährung sein (Kohlenhydrate, Ballaststoffe, B-Vitamine, Eiweiß, Mineralstoffe). Feines Püree aus Kartoffeln anreichen mit einem feinem Linsen-, Kichererbsenpüree, Weizen, Haferpüree mit Sellerie- oder Karottenpüree usw.
Gemüse Hülsenfrüchte, Salat, Rohkost sollen reichlich dazu gegessen werden (Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe, Kohlenhydrate, sekundäre Pflanzenstoffe). Dito oben
Frisches Obst sollte täglich verzehrt werden (Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe, Kohlenhydrate, sekundäre Pflanzenstoffe). Fruchtsäfte frisch gepresst Frucht – Mousse mit dem Pacojet hergestellt
Milchprodukte Reichlich Milch und Milchprodukte (Eiweiß, Calcium, B-Vitamine). Milchdrinks, Shakes, Glacen, Cremen mit Früchtemark
Fleisch Sparsam bei Fleisch, Wurst, Geflügel und Eiern erstklassige Produkte verwenden, Zuerst zerkleinern – kurze Zubereitungsart
Fisch jedoch 1 - 2 mal pro Woche Seefisch (Eiweiß, Jod, Vitamin D, Eisen). Fischklösschen, Fischflan, Terrinen
Fette Fette, Öle und fettreiche Speisen in Maßen genießen (Fett, fettlösliche Vitamine A, D, E, K, essentielle Fettsäuren). .

Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von CURAVIVA
Das Original dieses Beitrags finden Sie hier als PDF-Datei (364 kb).
Gefunden und Genehmigung zur Übernahme ins AlzheimerForum eingeholt von Christian Kolb am 6.12.03.


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