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Demenz und Rechtsstaat

von Willi Loth

Zu diesem Thema möchte ich einen ganz persönlichen Beitrag aus dem Alltag des Rechtsstaates BRD beisteuern.

Vor ca. 26 Jahren zog ich in die Wohnung meiner heutigen Lebensgefährtin. Als ehemaliger DDR Bürger nicht wissend, welche zwingenden Gründe es in der BRD für den göttlichen und auch amtlichen Trauschein gibt.

Wir behielten getrennte Bankkonten bei. Meine Frau zahlte weiterhin alle Kosten für die Wohnung und ich zahlte monatlich Wirtschaftsgeld, finanzierte unser Auto und Kajütboot, sowie den Urlaub.

Sie war finanziell nicht im geringsten benachteiligt, sie konnte sogar noch monatlich für den sogenannten Notgroschen sparen. Auch haben wir uns gegenseitig mit Testament als Erben ernannt. Ich habe keine Kinder, sie nur einen Sohn, Verhältnis normal.

Aber das Schicksal hatte noch andere Überraschungen im Hinterhalt.

Vor ca. 6 Jahren stellten sich bei ihr die ersten Anzeichen für eine Demenzerkrankung ein, die mit der Zeit immer weiter fortschritt und durch den totalen Verlust der Kommunikationsfähigkeit wie der Unfähigkeit zu Sprechen, zu Schreiben und zu Lesen gekennzeichnet ist. In Begleitung dieser Symptome wurde die Motorik abgebaut, so dass sie heute rund um die Uhr durch mich betreut werden muss. Sogar die Mobilität ist dadurch stark eingeschränkt, d.h. Laufen wird immer schwieriger.

Diese Umstände führten dazu, dass wir auf Anraten unseres Rechtsanwaltes und des Arztes beim Amtsgericht die offizielle Betreuung durch mich beantragten (Vormundschaft). Zu diesem Zeitpunkt konnte sie noch verbal Willensbekundungen zum Ausdruck bringen.

Auf dem Gericht erklärte uns eine Rechtspflegerin, dass ich jährlich eine Abrechnung über das Girokonto meiner Frau zu erstellen habe, weil wir nicht verheiratet seien. Verheiratete Paare müssten in einem solchen Fall nur alle zwei Jahre eine Vermögensaufstellung vorlegen.

Ich bin auf Grund der Pflegesituation inzwischen arbeitslos und beziehe eine reduzierte Arbeitslosenhilfe von 250 €, weil das Einkommen meiner Frau mit veranlagt wird. Nach dem Bundessozialgesetzbuch sind wir als „eheähnliche Gemeinschaft“ der offiziellen Ehe gleichgestellt und im Falle, dass ich finanzielle Hilfe durch den Staat benötige, wird das Einkommen meiner Frau mit veranlagt. Das gleiche gilt auch beim Wohngeld.

Meine Frau bezieht Rente sowie Pflegegeld für Stufe 2 und zusammen mit meiner Arbeitslosenhilfe decken wir unsere monatlichen Ausgaben. Das Pflegegeld gehört eigentlich zu meinem Einkommen, weil ich die Pflege durchführe, und von der Krankenkasse werden auch die Rentenbeiträge für mich gezahlt.

Im ersten Jahr der Betreuung hatten wir trotz des Kaufs eines gebrauchten Kleinwagens Daihatsu Cuore - unser alter Renault musste auf den Schrott - sogar noch Geld auf dem Konto meiner Frau gespart. Nachdem ich Ende 2001 die erste Abrechnung mit über 40 Einzelbelegen vorlegte, erhielten wir folgenden Kommentar vom Amtsgericht:

  1. Warum werden sämtliche Unkosten für die gemeinsame Wohnung der Betreuten ausschließlich von der Betreuten gezahlt?
  2. Auf Grund des Gesundheitszustandes der Betreuten kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese das vorhandene Motorboot tatsächlich nutzt. Gegen den Unterhalt des, erheblich Kosten verursachenden Bootes, bestehen hier große Bedenken, da dies wohl nicht im Sinne des finanziellen Wohls der Betreuten sein kann. Geben Sie an, wem das Boot tatsächlich gehört, wer es nutzt und warum es bisher nicht veräußert wurde.
  3. Es wurde ein Kaufvertrag über einen PKW geschlossen. Aus der beigefügten Kopie ist nicht ersichtlich, ob Frau K. hier selbst gehandelt hat (wogegen erhebliche Bedenken bestehen) bzw. ob Sie als Betreuer gehandelt haben. Es bestehen zunächst Zweifel, ob hier überhaupt ein wirksamer Kaufvertrag zustande kam. Weiterhin entspricht auch wohl dies nicht dem finanziellen Interesse der Betreuten, da nicht davon auszugehen ist, dass sie den PKW tatsächlich nutzt.
  4. Im Betreuungszeitraum fanden erhebliche Barabhebungen statt. Aus der Girokontoabrechnung wird ersichtlich, dass hier monatlich mindestens 1.000 DM abgehoben wurden. Es erscheint hier nicht plausibel, dass diese Beträge ausschließlich für den Lebensbedarf der Betreuten verwendet wurden. Es wird daher um eine schlüssige Barabrechnung gebeten.

Es blieb also völlig unbeachtet, dass ich auch weiterhin über das Pflegegeld meinen finanziellen Beitrag zum gemeinsamen Haushalt leiste.

Meine Arbeitslosenhilfe musste ich ja noch nicht abrechnen, obwohl die auch für unsere Lebensführung verwendet wird.

Die Kosten für das Kajütboot, in dem wir noch den Sommer verbringen können, betragen im Jahr 1.600 DM. Das Boot ist für uns das, was für andere Leute der Wohnwagen ist oder der Kleingarten.

Natürlich musste ich jetzt das kleine Auto vom Girokonto meiner Frau finanzieren und es wurde auch in ihrem Namen gekauft. Ohne Auto bin ich mit ihr an die Wohnung gefesselt.

Man verlangt eine schlüssige Barabrechnung, obwohl über 40 Belege vorgelegt wurden, die zu 80% unsere damaligen Ausgaben dokumentieren.

Unter Einhaltung unserer Rechtsanwälte und zweier Ärzte konnte die Situation positiv geklärt werden.

Im Jahr 2002 habe ich nunmehr über 200 Rechnungen gesammelt, um den Nachweis möglichst lückenlos über unsere Ausgaben führen zu können.

Ja, wenn es nach den Behörden geht, haben Kranke keine Ansprüche zu stellen. Sie sollen in ihren vier Wänden sitzen und warten bis der Herrgott sie ruft. Von dem Grundsatz der Gleichbehandlung vor dem Gesetz und der Würde des Menschen ganz zu schweigen – Papier ist geduldig.

Der nächste Konflikt ist schon im Anzug - wir wollen die Großstadt verlassen, zu Gunsten einer besseren Wohnung im Brandenburger Wald- und Seengebiet.

Auch hierzu benötigen wir die Genehmigung der bundesdeutschen Bürokraten.



 

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