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Zehn Regeln zum Umgang mit Demenz-Kranken

© Dr. Dr. Herbert Mück, Köln

von Dr. med. Jens Bruder, Leiter der ärztlichen Abteilung des Landesbetriebes pflegen & wohnen (Hamburg), langjähriges Vorstandsmitglied der Deutschen geriatrisch-gerontologischen Fachgesellschaften und der Alzheimer Gesellschaft

Die folgenden "Regeln" haben sich im Umgang mit Dementen bewährt. Sie beziehen sich vor allem auf frühe Krankheitsstadien und tragen dazu bei, Abhängigkeiten und emotionale Belastungen zu verringern.

  1. Risikoabwägung:
    Betreuer müssen einen vernünftigen Kompromiß zwischen zwei schwer zu vereinbarenden Bestrebungen finden: dem Wunsch nach der beruhigenden Gewißheit, dem Kranken ein Maximum an Sicherheit zu bieten, und der Aussicht, es genießen zu können, wenn man den Kranken gewähren läßt. Leben ist jedoch immer mit Risiko verbunden, besonders wenn man einem dementen alten Menschen noch eigene Erlebens- und Aktivitätsräume erhalten will (etwa selbständige Spaziergänge außerhalb des Hauses).
  2. Einfachheit und Verständlichkeit:
    Die Umwelt des Dementen muß einfach, überschaubar und unkompliziert sein. Dazu gehören eindeutige Mitteilungen, kurze Sätze, Verzicht auf abstrakte Begriffe, "wenn-dann"-Sätze und Häufungen von Eigenschaftswörtern. Die räumliche Umgebung ist überschaubar und offen sowie frei von unnötig verwirrenden und widersprüchlichen Reizen zu gestalten. So scheinen verschlossene Behälter und Schränke viele Demenz-Kranke zu beunruhigen bzw. zu motivieren, an ihnen herumzurütteln.
  3. Konstanz:
    Diese Forderung bezieht sich gleichermaßen auf Bezugspersonen, räumliche Umgebungen und Zeitstrukturen.
  4. Gleichzeitigkeit von Sprache, Berührung und Blick:
    Begleitende Berührungen und Blicke fördern das sprachliche Verständnis des Dementen, vermitteln das Erlebnis von Nähe und fördern die Speicherung von Information.
  5. Keine Verbote:
    Demenz-Kranke stoßen ständig an Grenzen und Zurückweisungen. Diese Erlebnisse kränken und sind aufgrund der kognitiven Beeinträchtigungen nur schwer zu verarbeiten. Man hilft den Kranken, wenn man an die Stelle eines nicht erfüllbaren Wunsches weitere Vorschläge rückt, zwischen denen der Demente wählen kann. Wahlmöglichkeiten, die sich vielleicht sprachlich stärker voneinander unterscheiden als ihrem Inhalt nach, vermitteln u.U. kleine Erlebnisse von Freiheit und helfen so über das zunächst geäußerte "nein" hinweg. Auch hier ist viel Phantasie gefordert.
  6. Ablenkung:
    Das Prinzip des sanften Umlenkens ist bei störenden, gefährlichen und deshalb unausführbaren Impulsen angezeigt.
  7. Körperliche Begegnung:
    Hier gilt es, sich der archaischen Bedeutung körperlicher Gesten und Handlungen zu besinnen und die Kunst ihrer angemessenen Variation zu erlernen. So kann es für einen Demenz-Kranken vor pflegerischen Handlungen sehr beängstigend sein, wenn "im Block" zwei Gestalten frontal auf ihn zu marschieren. Die Situation entspannt sich für ihn möglicherweise schon dadurch, daß die beiden Abstand halten und nach Ankündigung nacheinander von der Seite und deutlich erkennbar an ihn herantreten.
  8. Mut zum Streit:
    Kleine Auseinandersetzungen zwischen Demenz-Kranken sind nicht per se gefährlich. In ihnen drückt sich die Lebendigkeit der Streitenden aus und eröffnet sich eine Möglichkeit, Empfindungen zu intensivieren
  9. Fixierungen
    sollten die Ausnahme bleiben. Sie sind genauestens zu dokumentieren. Ihre Notwendigkeit ist mindestens einmal täglich zu überprüfen. Die Entwicklung und Vermittlung präziser Regeln zur Fixierung ist dringend zu empfehlen.
  10. Strukturieren, Aktivieren und Trainieren:
    In diesem Zusammenhang geht es darum, den Tag mit Hilfe von Gruppenangeboten zu strukturieren. Sie sollen die Kranken dazu anregen, Tätigkeiten erneut oder weiterhin auszuüben, die ihnen aus der eigenen Lebensgeschichte vertraut sind. Die Tätigkeiten müssen variiert werden. Sie sollten sich in die alltägliche Selbstversorgung einfügen (Essensvorbereitung, Kochen, Abwaschen, Näharbeiten, einfache handwerkliche Verrichtungen). Beim Aktivieren geht es darum, Fremdantrieb in Eigenantrieb umzuwandeln und mit Widerständen des Kranken angemessen umzugehen. Dabei muß der Betreuer aus seiner Kenntnis des Dementen heraus gegebenenfalls dessen verloren gegangenen vernünftigen Willen zur Aktivierung ersetzen. Je sicherer sich der Betreuer ist, desto müheloser wird er den Kranken in das jeweilige Vorhaben einbeziehen können. Das "Trainieren" schließlich zielt auf Übungen ab, welche die Hirnleistung verbessern. Die Ziele sind eine raschere und sicherere Aufnahme und Verarbeitung von Informationen, die Steigerung von Konzentration und Aufmerksamkeit, Erwerb von Wissen und Alltagskenntnissen sowie die Entwicklung von Routinen.

Quelle: J. Bruder in Funkkolleg "Altern", Studienbrief 3, Studieneinheit 8: Vergessen und Traurigkeit. Psychische Veränderungen im Alter/1996

Wir danken

für die Bereitstellung des Textes aus dem ZNS- bzw. DEMENZ-SPEKTRUM

 

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