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Umdenken angezeigt: Harninkontinenz nicht als "Demenz-Schicksal" hinnehmen!

© Dr. Dr. Herbert Mück, Köln

Kanada. Demenz und Harninkontinenz gehen oft gemeinsam einher. Dieses Phänomen förderte die Schlußfolgerung, daß zwischen den neuronalen Vorgängen, die zu einer Demenz führen, und den neuronalen Prozessen, die in eine Inkontinenz münden, ein Zusammenhang besteht. Wie J. Skelly und A. J. Flint aufzeigen, gibt es für eine solche "Logik" jedoch keinerlei sichere Anhaltspunkte. Auch für Demenz und Inkontinenz gilt, daß die bloße Koinzidenz nicht schon auf einen kausalen Zusammenhang verweist.

Die kanadischen Autoren setzen sich äußerst kritisch mit den Schwächen der bisherigen Demenz-Inkontinenz-Forschung auseinander. Insbesondere wenden sie sich gegen eine allzu vereinfachende Betrachtung der Mechanismen, die eine Inkontinenz auslösen. Dieser Vorgang ist nämlich sehr komplex und umfaßt mindestens folgende Komponenten:

* Vorhandensein eines miktionsauslösenden Stimulus,

* neuromuskuläre und strukturelle Intaktheit des Urogenitalsystems,

* kognitive Fähigkeit, den Reiz einer gefüllten Blase zu interpretieren und darauf adäquat zu reagieren,

* Motivation, den Urinfluß zu unterdrücken,

* ausreichende Mobilität, um rasch genug auf den Urindrang zu reagieren;

* Fähigkeit, sich vor dem Urinieren zu entkleiden,

* genügend soziale Aufforderungen zur Kontinenz und zur Toilettenbenutzung,

* Abwesenheit von Medikamenten, die sich ungünstig auf die Miktion auswirken.

Optimieren statt resignieren

Wer bisher beim Zusammentreffen von Demenz und Inkontinenz resigniert hat, muß seine Haltung angesichts der Vielzahl relevanter Faktoren in Frage stellen. Denn offenbar gibt es durchaus eine Reihe sinnvoller Ansätze, einer Inkontinenz im Rahmen einer Demenz zu begegnen. Zu den erfolgversprechensten gehört die Verbesserung der Mobilität (Fitneßsteigerung, Seh- und Hörhilfen), die mitunter sogar iatrogen beeinträchtigt ist (z.B. durch Fixierungen oder sedierende Medikamente). Weitere sinnvolle Hilfen sind leicht zu öffnende Kleidungsstücke sowie deutlich ausgezeichnete, gut beleuchtete und behindertengerecht gestaltete Toiletten (Haltegriffe, erhöhte Toilettensitze). Zu den medizinischen Maßnahmen gehört die Behandlung inkontinenzfördernder Leiden, die sich keineswegs auf Erkrankungen des Urogenitalapparates beschränken (wie etwa eine Blasenentzündung). So kann beispielsweise auch eine Depression (aufgrund der typischen Antriebshemmung) eine Inkontinenz fördern. Mitunter ist eine Inkontinenz Teil einer Verhaltensstörung, hinter der sich der Versuch des Patienten verbirgt, einen Konflikt mit der Umwelt zu lösen.

Vor diesem Hintergrund ermuntern Skelly und Flint dazu, der Inkontinenz Demenz-Kranker aktiv zu begegnen. Dies kann z.B. in Form eines Blasen- oder Toilettentrainings erfolgen, bei dem der Patient in regelmäßigen Abständen aufgefordert wird, seine Blase zu entleeren. Die Autoren warnen insbesondere vor Praktiken, die den Demenz-Kranken gleichsam zur Inkontinenz ermuntern (etwa indem man ihn prophylaktisch mit Windeln versorgt).

Wenn sich die Inkontinenz trotz eines Trainingsprogrammes nicht bessert, muß dies keineswegs immer am Kranken liegen. Gelegentlich sind auch die Betreuer schlicht überfordert (zeitliche Überlastung, ungenügende Ausbildung, schlechte Bezahlung). In Heimen schießt mitunter auch die Verwaltung quer: Windeln oder Wäschewaschen können nämlich billiger sein als ein personell aufwendiges Trainingsprogramm.

J. Skelly, A. J. Flint: Urinary incontinence associated with dementia. JAGS 43 (1995) 286-294

Wir danken

für die Bereitstellung des Textes aus dem ZNS- bzw. DEMENZ-SPEKTRUM

 

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