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Wahlrecht und Betreuung

von Jochen Gust

Am 02. Februar 2003 sind in Deutschland gleich zwei Mal Landtagswahlen. Die Hessen und die Niedersachsen sind aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.
Oft ist es nicht nur den pflegebedürftigen Senioren für die eine Betreuung eingerichtet ist nicht klar welche Auswirkung dies auf ihr Wahlrecht hat, sondern auch den Pflegenden ist die Sachlage unbekannt. Gerade aber in Alten- und Pflegeheimen werden zu "Wahlzeiten" Pflegekräfte nicht selten mit den besorgten Fragen von Seniorinnen und Senioren diesbezüglich konfrontiert. Die Pflegekräfte sind es letztlich auch, die die Möglichkeit und die moralische Pflicht haben, Fragen der Senioren Gehör zu verschaffen, wenn zum Beispiel vor der Wahl keine Wahlbenachrichtigung per Post eingetroffen ist. Die Pflegenden sind es in der Regel, welche die Betreuer informieren müssen, damit dieser dann aktiv wird.

Die häufigste Annahme Pflegender ist, dass ein alter Mensch im Heim, für den eine Betreuung in allen Aufgabenkreisen eingerichtet ist, auch nicht mehr wählen darf. Diese Annahme ist so weit verbreitet wie falsch.
Grundsätzlich dürfen auch Menschen die einen Betreuer haben wählen. Die Betreuung, und selbst ein möglicherweise eingerichteter Einwilligungsvorbehalt (des Betreuers), beschränken das Grundrecht wählen zu dürfen nicht.
Das Wahlrecht entfällt nur, wenn eine Betreuung "für alle Angelegenheiten" eingerichtet ist. Das bedeutet, dass die Formulierung "für alle Angelegenheiten" in dem Beschluss über die Anordnung einer Betreuung ausdrücklich stehen muss. Bei einer Einrichtung einer Betreuung für alle Angelegenheiten darf davon ausgegangen werden, dass die Bedeutung und Wirkung einer Wahl nicht mehr eingeschätzt werden kann.
Ist eine Betreuung für alle Angelegenheiten für eine Person eingerichtet, erhält die entsprechende Behörde die das Wählerverzeichnis führt (Wahlamt der Gemeinde) hierüber eine Mitteilung, so dass dem Betreuten normalerweise keine Wahlbenachrichtigung mehr zugesandt wird.
Betreuerinnen und Betreuer sind immer gehalten, einen Wahlrechtsausschluss im Sinne ihrer zu Betreuenden zu prüfen und verpflichtet sich gegebenenfalls dafür einzusetzen, dass der Betreute wieder ins Wählerverzeichnis aufgenommen wird.
Viele Pflegende und Pflegebedürftige nehmen an, dass die Bestellung eines Betreuers für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitssorge dasselbe wie eine Totalbetreuung im Sinne von "allen Angelegenheiten" ist. Dies ist nach Auffassung des Bayrischen Oberlandesgerichts unzulässig.
Das bedeutet, selbst wenn eine Betreuung über mehrere Aufgabenkreise eingerichtet ist, geht das Wahlrecht nur dann verloren, wenn sie sich per ausdrückliche Formulierung über alle Angelegenheiten erstreckt.

 

Jochen Gust
Elisabethstr. 48 / 23701 Eutin
Jochen.Gust@AlzheimerForum.de
Erstveröffentlichung in "Der Pflegebrief" Ausgabe 01/2003 S. 4 ff


 

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